
Neue Räume öffnen, um mit Gott zu sein

„Da kommt der Pastor mit seiner Frau!“ – Es ist Mittwochmittag an der Luzia-Grundschule in Oestereiden. Bevor die Schulglocke gleich zum Unterricht ruft, toben sich die Kinder noch auf dem Pausenhof aus. Ein Junge hat Hildegard Langer längst entdeckt, die gerade mit Pastor Andreas Neuser zum Seelsorgeunterricht der Dritt- und Viertklässler kommt. Hildegard Langer ist Gemeindereferentin und Momente wie dieser, der schon einige Jahre zurückliegt, bringen sie bis heute zum Lachen: „Die Schülerinnen und Schüler haben uns damals immer als Einheit von Kirche wahrgenommen.“
Die Menschen begleiten
Die Szene sagt einiges über die Stellung von Gemeindereferentinnen und -referenten, die auf der Grundlage ihres Bekenntnisses zu Jesus Christus Kirche vor Ort maßgeblich mitgestalten. Die Glauben lebendig halten und weitergeben, die Beziehung zu Gott mit anderen feiern und gemeinsam mit Haupt- wie Ehrenamtlichen die Menschen in den Gemeinden und Pastoralen Räumen in allen Lebenslagen begleiten. Immer da, wo sie gebraucht werden – und trotzdem wissen die wenigsten, wie vielfältig sie zum Gelingen des Gemeindelebens beitragen.
Wir sind zu Besuch im Büro von Hildegard Langer, das im Pfarrbüro neben der Rüthener St.-Nikolaus-Kirche liegt. Seit fast 28 Jahren ist sie Gemeindereferentin, seit 18 Jahren im Pastoralen Raum Rüthen, seit 2019 Pastoraler Raum Anröchte-Rüthen . Hinter ihrem Schreibtisch hängt ein Bild von Sieger Köder, das die Prophetin Mirjam zeigt, die dem Herrn für die Errettung aus höchster Not mit Gesang, Tanz und Paukenspiel dankt. Und das mindestens so bunt und lebendig wirkt wie Hildegard Langers Alltag selbst.
Neues entsteht, wo guter Geist weht

„Von Arbeits-Alltag kann bei mir eigentlich nicht die Rede sein – immer wieder kommen hier Menschen rein mit Ideen, Gedanken, Fragen. In wöchentlichen Dienstgesprächen mit dem Pastoralteam, vor allem aber in diesen Tür- und Angelgesprächen kommt viel guter Geist zusammen, da entsteht Neues. Das ist das Spannende“, schwärmt sie von einem Beruf, der mehr nach Berufung klingt. Morgens trifft man die Gemeindereferentin oft hier am Schreibtisch, wo sie Veranstaltungen und Termine vorbereitet – vom Schulgottesdienst bis zum Pilgerangebot.
In ihrem Pastoralen Raum ist sie unter anderem für die Familienpastoral verantwortlich, hier schafft sie Räume für Gemeinschaft und Begegnung. Was sie antreibt? „Ich möchte es Menschen und vor allem Kindern ermöglichen, Erfahrungen von Gottes Liebe zu sammeln. Damit diese Liebe Gottes bei den Kindern auf guten Boden fällt.“ In Erinnerung geblieben ist ihr ein Mädchen, das sie als Vorschulkind in einem städtischen Kindergarten begleiten durfte und das beim Abschied fragte: „Wer erzählt mir denn vom lieben Gott, wenn wir uns nicht mehr sehen?“ Hildegard Langer war baff, vertröstete das Kind auf Eltern oder Lehrer. Drei Jahre später stand es im Seelsorgeunterricht der Grundschule plötzlich wieder vor ihr: „Jetzt können wir ja weitermachen, da habe ich schon lange drauf gewartet.“
Networkerin im Namen Gottes
Es sind solche Momente, die die Gemeindereferentin in ihrer Arbeit bereichern, die ihr Kraft und Freude schenken. Etwa wenn sie Ansprechpartnerin für die Kinder und die Erzieherinnen der Kitas, die sie betreut, ist. Oder wenn man sie ab mittags beim religionspädagogischen Unterricht an einer Grundschule oder in der Erstkommunionvorbereitung findet. „Freitags habe ich meinen kreativen Tag, um neue Projekte zu planen.“ Manchmal findet man Hildegard Langer dann auch auf der Straße oder dem Markt: „Ein guter Ort zum Arbeiten – da ergibt sich das eine oder andere Gespräch.“ Denn als Gemeindereferentin ist man nicht nur Teambuilderin, Networkerin und Projektmanagerin in Gottes Namen – auf Ansprache hin hat Hildegard Langer immer auch das offene Ohr einer Seelsorgerin.
Das Berufsbild hat sich stark gewandelt

Im Erzbistum Paderborn sind über 260 Gemeindereferentinnen und -referenten im Dienst. Dabei hat sich das Berufsbild in den letzten Jahren stark geändert. „In meinen Anfängen war ich noch für eine einzige Gemeinde zuständig und kannte die Menschen vor Ort. Heute arbeite ich im Pastoralen Raum mehr mit bestimmten Menschengruppen zusammen, bin noch mehr Netzwerkerin, aber auch Seelsorgerin.“ Hinzu kommt, dass die Berufsgruppe schrumpft, weil sich nicht mehr genug Menschen finden, die sich ausbilden lassen. Und das, obwohl im Erzbistum Paderborn viel getan wird, um junge Menschen für die Ausbildung zur Gemeindereferentin oder zum -referenten zu gewinnen.
Ein wichtiges Projekt, das Hildegard Langer mit einer ehemaligen Kollegin und vielen Ehrenamtlichen initiiert und begleitet hat, ist das ökumenische Pilgerwege-Projekt „3Klang“ in Kallenhardt. Das Motto hinter dem zugehörigen Segensweg – es könnte zugleich als Motto über ihrem Beruf stehen: Wie können wir anderen ein Segen sein, die Gemeinschaft und Energie erlebbar machen, die der Glaube uns schenkt? Aus dieser Frage erwachsen im Arbeitsalltag der Gemeindereferentin unterschiedlichste Angebote.
Menschen begleitet man unterwegs
Wie das Sonnenaufgangspilgern: Seit 2019 findet es jeden Sommer statt. Gegen 5.00 Uhr, eine Stunde bevor die Sonne aufgeht, brechen Menschen gemeinsam zum Kalvarienberg bei Kallenhardt auf, wandern gen Osten. Der Sonne entgegengehen. „Einen spirituellen Input muss ich da nicht mehr geben – der Sonnenaufgang ist Impuls genug.“ Im ersten Jahr waren 80 statt der erwarteten 20 Pilgerinnen und Pilger da. Viele von ihnen keine klassischen Kirchgänger, selbst Menschen, die aus der Kirche längst ausgetreten sind, waren dabei.
Als Gemeindereferentin will Langer neue Berührungspunkte schaffen. Orte, an denen man vor Gott und mit Gott sein kann. Und Angebote, die in die Lebenswelten der Menschen hineinreichen. „Auf ein Wort“ ist auch eins davon, rund 10 Menschen folgen montagmorgens ihrer Einladung und treffen sich um 9.30 Uhr am Parkplatz der Eulenspiegelkapelle zu einem einstündigen Spaziergang bei Wind und Wetter. Hier wird aus einzelnen Menschen eine Erzählgemeinschaft. Man spricht sich aus, macht sich Mut, ist gemeinsam auf dem Weg.
Ins Amt hineinwachsen

Was treibt Hildegard Langer an, anderen in so vielfältiger Form ein Segen zu sein? Oder grundsätzlicher: Wieso wird man Gemeindereferentin? „Meine Mutter war Haushälterin beim Pastor. Ich bin als Kind im Pfarrhaus ein und aus gegangen, war in der Gemeinde aktiv und bin quasi ins Studium der Religionspädagogik reingewachsen“, blickt sie zurück. Die Auseinandersetzung mit anderen Studierenden über spirituelle Erfahrungen habe sie, die damals noch einen tiefen Kinderglauben mitbrachte, tief geprägt. Dieser Glaube aber hat sie immer getragen, auch über schwierige Lebensphasen hinweg. „2019 habe ich eine Brustkrebsdiagnose erhalten – das hat meine Spiritualität und meine Einstellung zum Leben noch mal reifen lassen. Ohne mein Vertrauen in Gott wäre ich in dieser Situation vielleicht verrückt geworden.“ Eine richtig gute Seelsorgerin sei sie, das sagt Langers Schwester, eigentlich erst mit dem Krebs geworden.
Langer lädt ein, das Hoffnungsvolle zu sehen
Und doch ist sie sicher: Es lässt sich lernen, Gemeindereferentin zu sein. Wer manches mitbringt, hat es einfacher: „Ich habe hier in Rüthen Stallgeruch. Ich komme von hier und kenne viele.“ Wer sich auf Menschen einlassen, sich Zeit nehmen, ihnen zuhören, sie motivieren kann, ist gut in dem Job. Kreativität ist wichtig, wenn es darum geht, christliche Traditionen ins Heute zu transportieren. Und es braucht Ausstrahlung: Der Glaube, die Begeisterung, ihre bodenständig-zuversichtliche Art – das, was Hildegard Langer selbst im Leben hält, das trägt sie auch nach außen und lädt andere dazu ein, das Hoffnungsvolle zu sehen, nicht nur das, was wegbricht.
Auch in den Gemeinden. „Wenn ich höre, dass Bekannte aus der Kirche austreten, macht mich das sehr traurig. Aber wir dürfen nicht in der Kirche sitzen und warten, dass die Menschen kommen. Wir müssen raus, auf sie zugehen, sie spirituell berühren. Die, die dann weiter mitgehen, gehen intensiver mit.“ Auch in diesen Worten weht der gute Geist des Aufbruchs, der Hildegard Langer im Arbeitsalltag so oft begleitet. Wenn Kinder ohne Scheu Fragen stellen. Wenn fremde Menschen sich gemeinsam mit ihr auf den Weg machen. Wenn Mut und Zuversicht an Wendepunkten des Lebens dazu führen, dass Glaube wachsen kann.