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Erzbistum Paderborn
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Prädikant Ulrich Wenzel hält das Friedensgebt in der Liebfrauenkirche Bad Salzuflen© Ralf Bittner / Erzbistum Paderborn

Beten gegen die Ohnmacht: Das ökumenische Friedensgebet in Bad Salzuflen

In Kriegszeiten die Hoffnung auf Frieden aufrechterhalten: Die Liebfrauen-Gemeinde in Bad Salzuflen lädt seit mehr als 30 Jahren zu ökumenischen Friedensgebeten ein.

Es ist nur eine Handvoll Menschen, die sich am frühen Dienstagabend zum ökumenischen Friedensgebet in der katholischen Liebfrauenkirche in Bad Salzuflen versammelt haben. Sie eint die Hoffnung und der Glaube daran, dass Gebete und Fürbitten zwar vielleicht nicht Kriege beenden, aber sehr wohl Ausdruck von Solidarität und ein Appell an alle Seiten sein können, mit aller Kraft nach friedlichen Lösungen für Konflikte zu suchen.

Friedensgebete: durch russischen Angriffskrieg wieder aktuell

„Zum ersten ökumenischen Friedensgebet nach dem russischen Angriff auf die Ukraine kamen am 1. März 44 Teilnehmer in die evangelische Erlöserkirche“, sagt Gemeindereferent Franz-Herbert Hense. Der schließt das katholische Gotteshaus zwar auf, überlässt die Leitung des halbstündigen Friedensgebetes aber dem Prädikanten Ulrich Wenzel. Die Friedensgebete finden 2022 von Januar bis Juni in der lutherischen Erlöserkirche, in den restlichen Monaten in der katholischen Liebfrauenkirche immer am ersten Dienstag des Monats um 18 Uhr statt. Die Leitung der Runden wechselt monatlich zwischen katholischer und evangelischer Gemeinde.

„Unmittelbar nach Beginn des Krieges wollten wir die Friedensgebete eigentlich im wöchentlichen Turnus anbieten“, sagt Wenzel, aber die Teilnehmendenzahl sei sehr schnell zurückgegangen, sodass entschieden worden sei, zum monatlichen Treffen zurückzukehren. „Warum das so schnell eingeschlafen ist, kann ich auch nicht sagen“, sagt Dieter Lorenz, Superintendent im Ruhestand und Friedensgebet-Teilnehmer. Er kann sich an die ersten ökumenischen Friedensgebete Ende 1990 und im Jahr 1991 erinnern, die in der evangelischen Erlöserkirche stattgefunden hatten: „Damals war der Irak in Kuwait einmarschiert, und am 16. Januar begann eine Koalition unter Führung der USA mit Kämpfen zur Zurückeroberung Kuwaits.“ Hense ergänzt: „Während des Irakkriegs fanden die Friedensgebete täglich in der übervollen Erlöserkirche statt.“

Nach Ende des Krieges nahm die Teilnehmendenzahl stark ab. Die Friedensgebete fanden dann wöchentlich abwechselnd in der lutherischen Erlöserkirche, der katholischen Liebfrauenkirche und der reformierten Stadtkirche statt. Mit dem Kosovokrieg 1999 wuchs das Interesse an Friedensgebeten wieder. Damals griffen NATO-Verbände – erstmals seit Ende des Zweiten Weltkriegs und völkerrechtlich umstritten – Serbien an, das versucht hatte, territoriale Ansprüche im Kosovo durchzusetzen.

Die Idee für die Friedensgebete kam aus Magdeburg

„Damals boten wir ab Mitte 1999 wieder tägliche Friedensgebete in der Krypta unserer Kirche an“, schreibt Ulrich Weber, der die Idee zu den Friedensgebeten 1990 aus Magdeburg mitgebracht hatte. Im dortigen Dom hatte er an einem Gedenkgottesdienst aus Anlass des Mauerfalls teilgenommen und gehört, dass der Dompfarrer dort seine Friedensgebete, die mit zum Zusammenbruch des DDR-Regimes führten, mit nur fünf Gläubigen begonnen hatte. Weber schlug im Pfarrgemeinderat vor, auch in der Liebfrauengemeinde ein Friedensgebet zu initiieren. Der Vorschlag wurde angenommen und die lutherischen und reformierten Gemeinden der Kernstadt Bad Salzuflen eingeladen. Beide sagten zu. Obwohl die reformierte Gemeinde nach einem Personalwechsel nicht mehr dabei ist, hat das ökumenische Friedensgebet in der Salzufler Innenstadt eine mehr als 30 Jahre währende Tradition.

„1999 fanden die Friedensgebet mit den Treffen in den Krypten der beiden noch beteiligten Gemeinden ihre Form“, sagt Hense. „Das Treffen im großen Kirchenraum ist immer noch eine Corona geschuldete Notlösung. Eigentlich treffen wir uns in einem kleineren Raum, weil es den Teilnehmern dann leichter fällt, sich zu öffnen.“ Das Friedensgebet hat einen immer gleichen Ablauf und beginnt mit einem Lied. Dann folgen die Lesung eines Bibeltextes, eines Textes zur Gegenwart, offene Fürbitten, Gebet, ein Moment der Stille, ein weiteres Lied, das Vaterunser und der Segen.

Was können Gebete bewirken?

„Als Einzelne können wir ja wenig tun, um Politiker vom Frieden zu überzeugen“, sagt Hans-Georg Glasmacher, einer der langjährigen und regelmäßigen Teilnehmer, „aber wir können ein Signal aussenden, dass wir keine Kriege sondern friedliche Konfliktlösungen wollen.“ Eine direkte Wirkung erwarte er sich nicht, aber es stehe ja allen Menschen frei, sich über das Gebet hinaus karitativ zu engagieren.

Viele Menschen tun das entweder für vor dem Krieg nach Deutschland geflohene Ukrainerinnen und Ukrainer oder durch Hilfe in der Ukraine. „Und da wird es dann kompliziert“, sagt Hense, „denn da stehen sich das christliche Friedensgebot und das Recht auf Selbstverteidigung gegenüber.“ Vielleicht ist dieses Dilemma ein Grund für die eher geringe Beteiligung an den Friedensgebeten, obwohl der Krieg mit mehreren hundert Toten täglich auf beiden Seiten weiter tobt und die Menschen hier von Energieknappheit und Preissteigerungen direkt betroffen sind – ganz zu schweigen von den Menschen in anderen Ländern der Welt, denen bei Ausbleiben des ukrainischen Getreides der Hungertod droht.

Die Friedensgebete sind auch konkretes Handeln

„Ich weiß nicht, warum so wenig Menschen kommen“, sagt Hense, allerdings gehe es den Christinnen und Christen kaum anders als den Friedensaktivistinnen und -aktivisten, denn auch große Friedensdemonstrationen gebe es erstaunlich wenig. Hense glaubt, dass die Menschen während des Golfkrieges tatsächlich einen Dritten Weltkrieg und die Vernichtung der Menschheit fürchteten: „Viele Analysten gingen damals davon aus, dass sich der Dritte Weltkrieg am Kampf um die Ressource Erdöl im Nahen Osten entzünden würde.“ Außerdem waren im Golfkrieg und im Kosovokrieg US- und NATO-Truppen direkt beteiligt, die Demonstrationen hatten also die eigenen Regierungen als Adressatinnen. Dagegen dürfte es der Ukraine und Russland eher gleichgültig sein, ob sie von westlichen Demonstrierenden zum Frieden aufgefordert werden.

Um realpolitische Themen geht es in den Friedensgebeten nicht. „Wir wollen den Menschen einen Raum bieten, in dem sie mit ihren Ängsten nicht allein sind und sich austauschen können“, sagt Hense, außerdem sei auch Beten konkretes Handeln. Ohnmächtiges Nichtstun treibe Menschen in die Verzweiflung, eine Handlungsoption könne dagegen helfen. Und so beten auch an diesem Dienstagabend katholische und evangelische Christinnen und Christen gemeinsam in der Liebfrauenkirche: „Gib uns deinen Frieden, dass er unser Tun bestimmt. Gib uns deine Hoffnung, dass wir uns nicht abfinden mit Mord und Totschlag, Hass und Ungerechtigkeit.“

Ein Beitrag von:
freier Autor

Ralf Bittner

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