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Erzbistum Paderborn
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Prof. Loffeld, was können Sie von Gott lernen?

Von der Kunst, loslassen zu können und nicht makellos sein zu müssen.

Jesus Christus. Gottes Sohn, Meister, Lehrer. In den Evangelien wird immer wieder beschrieben, wie ihm zum Beispiel am See Genezareth Massen von Menschen folgten, um auf sein Wort zu hören. Um von ihm zu lernen. Auch heute noch gelten die Worte Jesu, vielleicht ist seine Frohe Botschaft und der Aufruf, umzukehren, aktueller denn je. Deshalb darf im Themenspecial „Kirche und Lernen“ auch der Blick darauf nicht fehlen, was sich heute von Jesus Christus, wahrer Mensch und wahrer Gott, lernen lässt.

Diesen Fragen stellt sich Prof. Dr. Jan Loffeld, der an der Universität Tilburg in Utrecht (Niederlande) den Lehrstuhl für Praktische Theologie leitet. Dort arbeitet er als Priester des Bistums Münster. Loffeld begleitet und berät den Zukunftsprozess des Erzbistums Paderborn – und hat im Februar auf der CREDO-Convention im Jugendhaus Hardehausen von seinem persönlichen Glauben erzählt.

Redaktion

Prof. Loffeld, was haben Sie schon von Gott gelernt? Und wie?

Prof. Dr. Jan Loffeld

Vielleicht habe ich am meisten von Gott gelernt, Menschen frei zu lassen. Sie zu begleiten, hin zu sich selbst – und nicht zu dem, was ich vielleicht will. Ich denke an meine Zeit als Kaplan in Oelde, als wir viel mit der Messdienerleiterrunde unternommen haben. Bei mindestens zwei von ihnen konnte ich mir gut vorstellen, dass sie Priester werden oder in einem pastoralen Beruf arbeiten könnten.

Redaktion

Und?

Prof. Dr. Jan Loffeld

Zwei Jugendliche haben tatsächlich einen pastoralen Beruf ergriffen – aber nicht diejenigen, von denen ich das gedacht hätte. Die anderen haben ebenso ihren Weg gefunden, sind tolle Partnerschaften eingegangen und haben Familien gegründet. Ich hoffe, dass ich alle Jugendlichen damals mit derselben freilassenden Haltung begleitet habe. Das Schöne an der Pastoral ist, dass man immer Menschen begegnet, die einem vertrauen. Zumindest ist das meine Erfahrung: Auch, wenn ich heute Menschen treffe und erzähle, dass ich Christ oder sogar Priester bin, spüre ich, dass häufig eine Art Zutrauen da ist. Es ist tatsächlich eine große Krise, in der wir stehen, dass dieses natürliche Vertrauen unter anderem durch das systemische Fehlverhalten der Institution und ihrer Orientierungslosigkeit in der modernen Welt immer weiter zerstört wird.

Redaktion

An welche Situation denken Sie, wenn Sie sagen, dass sie dieses Vertrauen dennoch manchmal noch spüren?

Prof. Dr. Jan Loffeld

Ich erinnere mich daran, wie ich einem Mann meines Alters im Zug gegenübersaß. Irgendwann kam die Frage auf, was der jeweils andere beruflich macht und wohin es geht. Ich habe unter anderem gesagt, dass ich Priester bin. Mein Gesprächspartner erzählte mir daraufhin, dass er gerade zu seiner Freundin, also zu seiner `Affäre´ fährt, die er schon seit drei Jahren hat. Seine Frau wusste davon nichts. Als ich aus dem Zug ausgestiegen bin, habe ich gedacht: Holla, was war das jetzt? Eine Art säkulare Beichte?! Vielleicht hatte es damit zu tun, dass wir Christen immer noch etwas repräsentieren, wo manche Menschen einen Hauch von Orientierung oder höherem Sinn vermuten.

Redaktion

Was haben Sie in der Situation zu dem Mann gesagt?

Prof. Dr. Jan Loffeld

Ich habe eigentlich nicht viel gesagt und vor allen Dingen überhaupt nicht gewertet. Ich habe gefragt: Wie ist das für dich und die Familie? Hält man das durch? Er hat mir daraufhin sein ganzes Leben erzählt – und wunderte sich hinterher selbst darüber, als er sich einige Tage später per E-Mail noch mal meldete.

Redaktion

Und was können Sie selbst noch von Gott lernen?

Prof. Dr. Jan Loffeld

Das Leben selbst freizulassen. Fasziniert bin ich da zum Beispiel vom Fastenhirtenbrief des Bischofs von Fulda. Er schreibt sinngemäß: „Jesus musste im Garten Getsemani seine Jünger freilassen, weil sie anscheinend nicht begriffen haben, wie ernst es ist. Und auch Jesus musste seinen eigenen Willen freilassen“.

Darum geht’s: Den eigenen Willen loszulassen und zu sagen: „Nicht mein Wille geschehe, sondern deiner“. Das ist unglaublich schwer. Es ist nämlich genauso wichtig, sich Ziele für das eigene Leben zu setzen und danach zu streben. Aber dann auch auf Gott zu vertrauen, dass er seine Finger nicht aus dem Spiel nimmt.

 

 

„Ich glaube, dass wir wir selbst werden. Dass wir diejenigen werden, die Gott als Bild in uns gelegt hat. Und da ist die erste Priorität, dass er uns als ganze Menschen, als heile Menschen möchte. Es geht ihm nicht um sich selbst, sondern es geht ihm um uns.”

 

Prof. Dr. Jan Loffeld

Redaktion

Wann haben Sie das zuletzt gemacht?

Prof. Dr. Jan Loffeld

Was genau meinen Sie?

Redaktion

Losgelassen und Gottes Willen gefolgt.

Prof. Dr. Jan Loffeld

Als ich mich auf die Professur an der Universität Tilburg beworben habe, habe ich alles dafür getan, dass es gut wird, aber dann auch losgelassen. Ich kannte Holland aus dem Urlaub, von schönen Touren und wusste, dass mich die Internationalität hier sowie die Situation radikaler Entkirchlichung reizen. Aber hier zu leben ist nochmal etwas anderes. Es ist wirklich Ausland. Das bereichert und befremdet manchmal gleichzeitig.

Redaktion

Und in Ihrer Arbeit?

Prof. Dr. Jan Loffeld

Wenn ich Kinder taufe, dann wünsche ich innerlich, dass das Kind mit Gott in Berührung kommt und seinen Weg findet. Dazu versuche ich innerlich los zu lassen und sage: Lieber Gott, das, was du mit diesem Kind und der Familie vorhast, das wird das Beste sein. Ich möchte daher überhaupt nicht kontrollieren, wie katholisch das Kind oder die Familie jetzt lebt.

Redaktion

Auslöser für dieses Interview war Ihre Keynote bei der CREDO-Convention im Jugendhaus Hardehausen. Dort haben Sie aufgezeigt, dass viele Menschen nach Perfektion streben – wir aber bei Gott gerade nicht perfekt sein müssen. Wo sind für Sie die großen Unterschiede zwischen dem, wie es in unserer Welt läuft – und wie es in Gottes Welt läuft?

Prof. Dr. Jan Loffeld

Vorausschickend möchte ich sagen: Es geht absolut nicht darum, die „Welt“ (wir sind ja auch immer ein Teil davon!) und die Entscheidungen von Menschen schlecht zu machen. Da ist immer absoluter Respekt gefragt. Zugleich ging mir bei einer China Reise einmal etwas auf, als ich in Peking das Mao-Mausoleum besucht habe. Mao (ehemaliger Staatspräsident Chinas, Mitbegründer der Kommunistischen Partei Chinas; Anm. d. Red.) lag makellos da, wie schlafend. Vielleicht, habe ich gedacht, ist das auch eine Konsequenz aus einer Weltanschauung, die ohne Gott auskommen möchte. Da muss der große Protagonist makellos sein, alles andere wäre wahrscheinlich ein Zeichen von Schwäche und das zersetzt die politische und gesellschaftliche Disziplin beziehungsweise Macht.

Redaktion

Und im Christentum?

Prof. Dr. Jan Loffeld

Jesus, der eben nicht makellos ist, ist anders. Er hat auf alle weltliche Macht verzichtet, wurde gekreuzigt und behält seine Wunden auch noch nach der Auferstehung.

Menschen, die mit Gott leben, können vielleicht anders zu ihren Wunden stehen und ihre Schattenseiten des Lebens als Orte entdecken, wo Gott wirkt. Wo etwas passieren kann. Das fasziniert mich – aber zur Wahrheit gehört eben auch, dass wir Christen und die Kirche als Ganze hinter diesem Potential zu häufig zurückbleiben und immer zuerst vor der eigenen Haustür kehren müssen. Zugleich ist es wichtig, das Ganze nicht exklusiv oder elitär zu verstehen. Zu denken, dass Menschen, die ohne Gott leben, nicht glücklich werden können oder schlechtere Menschen wären. Im Gegenteil!

Redaktion

Bei der CREDO-Convention haben Sie auch gesagt: „Da, wo ich besonders schwach bin, da merke ich vielleicht im Nachhinein, dass ich da stark durch Gott war“. Was steckt dahinter?

Prof. Dr. Jan Loffeld

Es gab in meinem Leben Momente, in denen ich mich wie in einer Sackgasse gefühlt habe. Ich dachte: „So geht das nicht weiter, aber ich komme hier nicht raus“. Doch auf einmal tat sich eine Perspektive auf.

Es gab auch Zeiten, in denen ich mich als Priester innerlich leer gefühlt habe. Eine Art geistliche Dunkelheit. Ich habe die Messe gefeiert und dachte: „Das ist alles völliger Schwachsinn, was ich hier tue. Das bringt gar nichts. Du könntest gerade auch in der Küche stehen und Teller abwaschen.“

Das ging auch gar nicht so kurz, das war also nicht nur eine Woche. Und da kann ich heute noch den Moment sagen, in dem sich das fast von jetzt auf gleich verändert hat. Irgendwie meine ich gespürt zu haben: Wenn einer der rote Faden meines Lebens ist, dann ist das Jesus Christus. Irgendwie komisch, aber trotz aller Kritik, etwa an der Kirche, komme ich da nicht raus und will es eigentlich auch nicht wirklich.

Redaktion

Welche Prioritäten setzt Gott?

Prof. Dr. Jan Loffeld

Ich glaube, dass wir wir selbst werden. Dass wir diejenigen werden, die Gott als Bild in uns gelegt hat. Und da ist die erste Priorität, dass er uns als ganze Menschen, als heile Menschen möchte. Es geht ihm nicht um sich selbst, sondern es geht ihm um uns. Wenn ich zum Beispiel darauf gucke, wie ich als junger Priester agiert habe, dann würde ich in vielem sicherlich nicht wieder so handeln wie damals.

Redaktion

Sondern?

Prof. Dr. Jan Loffeld

Mit dem Mut von damals und der Erfahrung eines 46-Jährigen. Als Kaplan wollte ich die Menschen vom Glauben überzeugen. Ich dachte: „Ich erkläre denen das jetzt – und dann müssen die doch glauben. Das ist doch sowas von evident.“ Wenn mir heute manche Predigten von damals in die Hände fallen, denke ich: „Oh Gott, was waren die Leute in Oelde damals barmherzig mit mir“. Und ich glaube, dass Gott auch so ist. Dass er uns wirklich lässt und die Chance gibt, dass wir uns auf uns selbst hin entwickeln können – und das kann man dann vielleicht Berufung nennen.

Redaktion

Prof. Loffeld, vielen Dank für das Gespräch.

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