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Erzbistum Paderborn
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Mann steht auf einem Steg an einem nebeligen See© FotoDuets / Shutterstock.com

Schweigeexerzitien Das stille Gespräch mit Gott

Dreieinhalb Tage Schweigen, um mit Gott ins Gespräch zu kommen. Cornelius Stiegemann wagt das Experiment Stille.

In der Stille ist alles laut

Ich sitze am Schreibtisch meines Gästezimmers im Dachgeschoss des Exerzitienhauses Maria Immaculata in Paderborn und das Zerplatzen der Kohlensäurebläschen im Wasserglas vor mir ist das lauteste Geräusch um mich herum. Ich hätte wohl besser „Medium“ genommen, denke ich, das sprudelt leiser. Vor wenigen Stunden hat Schwester Clara Schmiegel zu mir gesagt: „Dann schicke ich Sie jetzt in die Stille.“ Und damit hat es begonnen, mein Experiment Schweigeexerzitien.

© Achim Wirth / Erzbistum Paderborn
Das Bildungs- und Exerzitienhaus Maria Immaculata in Paderborn

Wer heute „Exerzitien“ sagt, meint damit zumeist geistliche Übungen nach dem heiligen Ignatius von Loyola. Der von ihm gegründete Orden der Jesuiten, aber auch Klöster und Einrichtungen im Erzbistum Paderborn bieten diese Form für Gruppen und Einzelpersonen an. Ignatius hat vier Wochen lang exerziert, heute Kurse dauern meist acht bis zehn Tage. Wer – wie ich – noch keine Erfahrungen mit Exerzitien hat, kann sie ein Wochenende lang kennenlernen.

Ruhig werden

Warum ich Exerzitien kennenlernen möchte? Ich arbeite in einer Kommunikationsabteilung, der Kern meiner Arbeit dreht sich ums Sprechen und Schreiben. Es geht darum, Menschen zu erreichen und eine Botschaft zu verkünden. Doch genau diese Botschaft droht manchmal von Deadlines und Meetings übertönt zu werden. Ich mag meine Arbeit. Und ich mache Exerzitien, um mich wieder zu vergewissern, warum ich sie mache. Deshalb suche ich das Gespräch mit Gott. In der Stille.

Die Stille ist strukturiert: Ignatius schreibt vier Gebetszeiten pro Tag vor, die je eine Stunde dauern. Morgens habe ich ein kurzes Gespräch mit meiner geistlichen Begleiterin, Schwester Clara. Sie gibt mir zwei Bibelstellen mit, die ich dann in den Gebetszeiten meditiere. Ansonsten kann ich täglich an der Messe in der Mutterhauskapelle der Schwester der Christlichen Liebe teilnehmen und über das Klostergelände spazieren. Nach draußen, in die Stadt, soll ich nicht. Denn dort besteht die Gefahr, dass ich mein Schweigen breche oder mich ablenken lasse.

Stille hilft

Vor meinem Fenster krächzt eine Krähe. In meinem Kopf habe ich Ohrwürmer von Liedern und Gesprächsfetzen aus der vergangenen Woche. Bilder und Gedanken steigen vor meinem inneren Auge auf. Ich bin direkt aus der Arbeitswoche in die Exerzitien eingestiegen und merke jetzt, dass vieles, was ich im Trubel des Alltags aufgenommen hatte, noch gar nicht verarbeitet ist. Nachts schlafe ich schlecht. Ich merke quasi körperlich, wie mein Geist mit unbearbeiteten Dingen umgeht. Die Stille hilft. Denn ohne Smartphone, Bücher und Radio habe ich keine Möglichkeit, meinen Gedanken zu entfliehen.

In meiner ersten Gebetszeit am Samstag lese ich die Schöpfungsgeschichte. Genesis 1 ist kein unbekannter Stoff. Kurz befällt mich Angst: Was soll ich bloß eine Stunde lang zu diesem Text denken? Die Stille in der Kapelle lässt auch mich ruhiger werden. Nach einem kurzen Gebet lese ich. Einmal, zweimal, dreimal, viermal. Ich merke, wie ich an Worten hängenbleibe. Da sind Gedanken, die ich ins Gespräch bringen muss. Ich führe keine theologische Grundsatzdiskussion, sondern spreche meinen Gott direkt an. Lobe ihn, frage, bitte und danke. Eine intensive Erfahrung.

Schweigen ist anstrengend

Der Begriff Exerzitien teilt sich aber nicht ohne Grund die lateinische Wurzel mit dem englischen „to exercise“. Beide bedeuten „üben, trainieren, sich intensiv einer Sache widmen“. Das kann durchaus anstrengend sein, wie mir die weiteren Gebetszeiten zeigen: Ich verliere den Fade, Gedanken verflüchtigen sich, bevor ich sie zu Ende gedacht habe. Zweimal breche ich Gebetszeiten ab, weil ich zu müde bin. Ich stoße an Grenzen und merke, wie sehr mich das frustriert.

Die Frustration bringt mich dazu, andere Kommunikationswege auszuprobieren: Bei einer der nächsten Meditationen greife ich zum Notizbuch. Und die Gedanken, die sich mir vorher entzogen haben, sind plötzlich da, graphitgrau auf weiß. Mein Gespräch mit Gott wird eine Brieffreundschaft. Oder auch ein Bild. Denn da, wo Worte nicht mehr ausreichen, male ich. Ich habe zwei YouTube-Tutorials über Aquarellmalerei geschaut, mehr Erfahrungen habe ich nicht. Mehr braucht es aber auch nicht, um ein paar der Bilder, die das Lesen der Bibelstellen in mir ausgelöst hat, auf das dicke Papier zu übersetzen.

Was kann ich aus der Stille mitnehmen?

Meine dreieinhalb Tage Stille sind so vollgepackt mit Erfahrungen, dass sie schnell und langsam zugleich vergehen. Am Ende reflektieren Schwester Clara und ich. Habe ich wirklich die ganze Zeit über geschwiegen? Nein. Doch ich war in diesen Tagen stiller, um mich herum war es stiller als sonst. Die Stille war anstrengend: Ich habe Musik vermisst, den Kontakt zu Freunden und Familie. Aber sie war auch wunderbar: Ich hatte Zeit für mich und meinen Gott und habe ihn besser kennengelernt.

Nun sitze ich am Schreibtisch des Zimmers meiner Dachgeschosswohnung. Mails plingen in meinem Postfach, das Handy klingelt und während ich diesen Text tippe, läuft leise Klaviermusik im Hintergrund. Der Alltag hat mich wieder. Ist da noch Stille? Ich horche in mich hinein. Ja, aber weniger in der Abwesenheit von Geräuschen. Stattdessen spüre ich eine Sehnsucht nach diesem direkten und konzentrierten Kontakt. Das Gespräch mit Gott in der Stille, ich werde es wohl wieder aufnehmen.

Exerzitien-Angebote im Erzbistum Paderborn

Hin und wieder brauchen wir eine Auszeit, um einmal durchzuatmen. Um uns zu sortieren, unseren inneren Kompass neu auszurichten. Vielleicht auch, um die Beziehung zu uns selbst und zu Gott wiederzufinden. In unserem Erzbistum gibt es einige Gästehäuser, Abteien und Klöster, die zu einer spirituellen Insel in unserem Alltag werden können: Bei Besinnungstagen und Exerzitien, Angeboten zu Meditation und Kontemplation ist hier jede und jeder willkommen, die eigenen Kräfte und den Glauben (wieder) zu entdecken. Ob ganz nah am Tagesablauf der Ordensleute, als sportlich-meditative oder kreative Auszeit – die vielseitigen Angebote bieten etwas für jeden Geschmack.

Im Exerzitienkalender unter www.erzbistum-paderborn.de/glauben-und-leben/exerzitien/ sind zahlreiche Termine aufgeführt, zu denen die Exerzitienhäuser im Bistumsgebiet einladen. Eine kleine Auswahl möchten wir hier vorstellen. Übrigens: Alle mehrtägigen Angebote, die im Exerzitienkalender zu finden sind, können vom Erzbistum Paderborn anteilig gefördert werden. Weitere Infos dazu gibt es ebenfalls online.

Exerzitien mit Pfeil und Bogen

Bildungs- und Exerzitienhaus
Haus Maria Immaculata, Paderborn

01.08. – 05.08.2022

Stand finden – sich ausrichten – Spannung aufbauen – lösen – nachhalten: Die immer gleiche Übung beim Bogenschießen bleibt nicht ohne Wirkung. Das Stehen, Atmen, Schauen, Bewegen verändert sich. Das sammelt auch den inneren Menschen und schafft Raum für einen achtsamen Blick. Die Übungen des intuitiven Bogenschießens werden mit Elementen der ignatianischen Einzelexerzitien kombiniert: durchgängiges Schweigen, persönliche Gebetszeiten und Einzelgespräche.

Kontemplative Exerzitien

Benediktinerinnen-Abtei Herstelle

19.09. – 24.09.2022

Die Benediktinerinnen-Abtei vom Heiligen Kreuz Herstelle lädt zu kontemplativen Exerzitien ein, bei denen Teilnehmende dem geistlichen Leben eine intensivere Zeit widmen und sich Gott öffnen können. Elemente dieser Tage in Stille sind angeleitete kontemplative Gebetszeiten, persönliche Begleitungsgespräche, Qigong-Einheiten, tägliche Gottesdienste und Impulsvorträge.

Familienwochenende im Advent: "Kündet allen in der Not ..."

Benediktinerinnen-Abtei
Unser Lieben Frau zu Varensell, Rietberg

16.12. – 18.12.2022

Junge Familien mit Kindern von vier bis ca. zwölf Jahren sind eingeladen, sich in der Benediktinerinnen-Abtei Unser Lieben Frau zu Varensell, Rietberg gemeinsam auf das Weihnachtsfest vorzubereiten. In Symbolen, biblischen Texten, Liedern, Spielen und Geschichten wird die Botschaft von Weihnachten lebendig. Neben Zeiten, in denen sich Eltern und Kinder jeweils für sich mit dem Thema beschäftigen, haben auch gemeinsamer Austausch und Spiel ihren Platz. So kann christlicher Glaube in der Familie erfahren und vertieft werden.

Ein Beitrag von:
Redakteur

Cornelius Stiegemann

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