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Erzbistum Paderborn
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Skyline von New York© Kusska / Shutterstock.com

Schwester Ines in Amerika

Drei Monate war Schwester Ines Schmiegel in den USA – unterwegs auf den Spuren der Gründerin ihres Ordens, Pauline von Mallinckrodt.

Mit 74 Jahren wagen wenige Menschen noch ein großes Abenteuer. Schwester Ines Schmiegel hat es getan: Sie hat eine neue Sprache gelernt und ist nach Amerika aufgebrochen. Für drei Monate hat sie in verschiedenen Konventen ihres Ordens, den Schwestern der Christlichen Liebe, gelebt. Hat dort mitgearbeitet, Freuden und Sorgen ihrer Mitschwestern geteilt – und nach den Spuren ihrer Ordensgründerin, Pauline von Mallinckrodt (1817-1881), gesucht.

Mit Gottvertrauen unterwegs

Die erste Herausforderung war der Flug. „Ich bin noch nie allein geflogen. Und dann auch noch so weit“, sagt Schwester Ines. Die Reise machte ihr Angst. Außerdem sei sie mit „so wenig Englisch“ aufgebrochen, sagt sie und lässt zwischen Daumen und Zeigefinger nur eine kleine Lücke. Doch die Ordensfrau hat Gottvertrauen. Also spricht sie eine Flugbegleiterin an, wer sie denn in München zum Gate nach Amerika bringen könnte. Prompt macht die eine Kollegin ausfindig, die den gleichen Flug wie Schwester Ines hat und sie begleitet. „Und wieder war ich ein Stückchen weiter“, sagt Schwester Ines, schlägt die Hände zusammen, schaut leicht nach oben und fügt an: „Lieber Gott, ich danke dir!“

Aus dem Flugzeugfenster sieht sie unter sich den blauen Atlantik. Dabei muss sie an Pauline von Mallinckrodt denken, die sie – wie alle Schwestern ihres Ordens – vertrauensvoll „Mutter Pauline“ nennt. Die Angst vor dem Flug sei das eine, aber „was habe ich für Annehmlichkeiten? In zehn Stunden bin ich in New York. Mutter Pauline ist wochenlang mit dem Schiff gefahren, war schrecklich seekrank und ist in einen schweren Sturm geraten. Was diese Frau in ihrer Zeit alles geschafft hat!“

Auf den Spuren der Gründerin

Mit dem 1871 beginnenden Kulturkampf im Deutschen Reich müssen die Schwestern der Christlichen Liebe zwangsweise ihre Niederlassungen, die Schulen und die Blindenanstalt, schließen. Damit verlieren die vielen Schwestern nicht nur ihre Arbeit, sondern auch ihr Dach über dem Kopf. Pauline von Mallinckrodt muss sie irgendwo unterbringen – doch sie lässt sich nicht entmutigen und schaut dafür über den Atlantik, wo Lehrerinnen für die Kinder deutscher Immigranten gesucht werden. Und wo in den Armenvierteln große Not herrscht. Also entschließt sich die Gründerin, ihre Schwestern in die USA zu schicken und reist auch selbst mehrmals dorthin. „Da war ich richtig stolz auf unsere Gründerin!“, sagt Schwester Ines. Ab diesem Moment im Flugzeug habe sie gespürt: „Du, Pauline, bist jetzt bei mir und zeigst mir, wo du warst.“

In den USA angekommen, besucht Schwester Ines den Friedhof von Wilkes-Barre bei New York. Im hohen Gras liegen schlichte Granitplatten. Den Namen ist ein „Schw.“ vorangestellt – Abkürzung für das deutsche Wort „Schwester“. Hier liegen einige der ersten Schwestern, die nach Amerika kamen, begraben. Mit 19 Jahren kamen sie an, „zwei Jahre später waren sie tot, gestorben an Tuberkulose“, sagt Schwester Ines. Die 74-Jährige steht tief bewegt an den Gräbern dieser jungen Frauen. Und sie fragt sich: „Wie muss das für Mutter Pauline gewesen sein? Sie hatte ihre Schwestern ja nach Amerika geschickt und nach so kurzer Zeit waren sie tot. Sie war bestimmt erschrocken. Und sie musste den Eltern die traurige Nachricht überbringen.“

Amerika – Land der Extreme

Für den Orden bedeutete die Expansion nach Amerika neuen Aufschwung, die Töchter deutscher Einwanderer traten reihenweise ein. Daneben stehen aber eben auch die Anfangsjahre mit den viel zu jung verstorbenen Schwestern. Das fügt sich ein in Schwester Ines‘ Erleben des Landes: „Ich habe die USA als Land der Extreme kennengelernt.“ In New York besucht sie den Gedächtnisort für die Toten der Anschläge vom 9. September 2001. „Die Bilder kennt man natürlich aus dem Fernsehen, aber da zu stehen, wo so viele Menschen gestorben sind, das ist etwas anderes. Da kann man nur still werden.“ Doch unweit davon liegt der Broadway mit seinen blinkenden Werbetafeln. Und schon in der nächsten Seitenstraße wieder bittere Armut. „Das ist Amerika. Ich habe es als ein Land der Extreme empfunden – der extremen Gewalt, des extremen Reichtums, der extremen Armut.“

Gerade die Situation der vielen armen Menschen, macht die Arbeit der Schwestern der Christlichen Liebe in Amerika weiter unentbehrlich. „Mich hat beeindruckt, dass die Schwestern dort noch in ihren Ursprungsaufgaben tätig sind. In der Bronx leben Schwestern direkt bei den Armen und kümmern sich um sie. Wir sind ja ein pädagogischer Orden,“ eine der ersten Aufgaben für die deutschen Schwestern war die Bildung. Und bis heute unterhält der Orden eine Grundschule in New York.

Die US-Schwestern stehen vor großen Veränderungen

So nötig das Engagement der Schwestern weiterhin ist, die Situation heute ist nicht mit der zu Zeiten Paulines von Mallinckrodt zu vergleichen. Nicht einmal mehr mit der Situation der 1980er Jahre. Damals gab es in den beiden nordamerikanischen Provinzen, die aus Mutter Paulines Gründungen hervorgegangen waren, noch 270 Schwestern im Westen und 431 Schwestern im Osten. Schwester Ines ist von New York aus weitergereist nach Chicago, wo es im Vorort Willmette ein Schwestern-Altenheim gibt. „Da leben nur noch 16 Schwestern in einem Riesenhaus.“

Weil der Orden immer weiter schrumpft, sollen die beiden Provinzen im November 2023 zu einer nordamerikanischen Provinz zusammengeführt werden. Für die alten Schwestern bedeutet das: Bleiben wir in Chicago oder gehen wir nach Mendham, ins neue Mutterhaus für ganz Nordamerika? Eine sehr schwierige Situation. Aber eine, die Schwester Ines kennt. Denn in Deutschland hat der gleiche Prozess bereits stattgefunden. Das Schwestern-Altenheim in Thülen bei Brilon wurde aufgegeben, die Schwestern zogen nach Paderborn um.

Wie Schwester Ines ihre Mitschwestern trösten konnte

In Chicago sieht Schwester Ines, wie sehr ihre Mitschwestern unter den anstehenden Veränderungen leiden. Sie spricht das Thema an und teilt ihre Erfahrungen aus Deutschland. Merkt, dass es ihnen guttut, darüber zu sprechen. „Wir sind wirklich eine Kongregation. Ich komme zwar aus Deutschland, aber uns geht es genauso wie ihnen. Das hat uns einander nähergebracht“, sagt sie.

Diese und die vielen anderen Gespräche mit den amerikanischen Mitschwestern laufen auf eine besondere Weise ab. Denn Schwester Ines hat zwar Vokabeln gepaukt, ist aber weit davon entfernt, fließend zu sprechen. Wie funktioniert die Kommunikation also? „Handy auf den Tisch, Übersetzungs-App an. Und dann habe ich auf Deutsch gesprochen, das Programm hat übersetzt, dann waren die Schwestern dran und ich bekam die deutsche Übersetzung.“ Auf diese Weise gab es für Schwester Ines im Gespräch immer wieder Momente des Innehaltens. „Da ist dann noch einmal viel Ehrfurcht vor der anderen Sprache gewachsen. Aber auch Ehrfurcht vor den anderen, vor ihrer Lebensweise.“

Eine spirituelle Reise

Die Sprachbarriere hatte somit ihr Gutes. Und das auch in spiritueller Hinsicht. Denn wem soll sie von den ganzen Eindrücken erzählen? Dem Erbsensuppekochen für 100 Leute. Den Jugendlichen, mit denen sie UNO gespielt und getanzt hat. Das nie enden wollende Rosenkranzbeten. Die Herzlichkeit und Freude mit der sich die Schwestern beim Friedensgruß grüßen. „Ich konnte nicht wirklich darüber sprechen, also habe ich das für mich verarbeitet. Ich habe mir extra ein neues Tagebuch gekauft und viele Fotos gemacht. Jeden Abend bin ich in die Kapelle gegangen und habe eine Viertelstunde lang betrachtet, was war.“

Sie habe gelernt, alles Erlebte mit ins Gebet zu nehmen. „Jeden Abend zu sagen: Mein Gott, das habe ich erlebt und das gebe ich jetzt dir. Mit allen Extremen, die ich erlebt habe, die mich faszinieren, die mich berühren, mich erschrecken, die mich wütend machen.“ Dass sie die Sprache nicht konnte, sei für sie zum Segen geworden, sagt Schwester Ines. „Ich bin stiller und betender geworden. Die Reise nach Amerika war keine touristische, sondern eine geistliche. Und ich bin unendlich dankbar, dass ich mit 74 noch so eine tiefe spirituelle Erfahrung machen durfte.“

Was Schwester Ines von ihrer Reise mitbringt

In den USA war Schwester Ines auf Pauline von Mallinckrodts Spuren unterwegs. Hat mit eigenen Augen gesehen, was seitdem dort gewachsen ist. Die Verehrung ihrer Gründerin hat sie als „dreimal stärker als hier“ erlebt. „Weil wir in Paderborn an der Quelle sind, hier ist ihr Grab. Das ist Alltag.“ Auf der anderen Seite des Atlantiks, so weit weg von Grab und Gründungshaus, habe sie die starke Sehnsucht ihrer Mitschwestern gespürt, Mutter Pauline nahe sein zu wollen, indem sie „in ihrem Geist und Auftrag christliche Liebe leben“. Neben all den Eindrücken und unzähligen Fotos, bringt Schwester Ines also vor allem eines mit: Einen neuen Blick auf Mutter Pauline.

175 Jahre Schwestern der Christlichen Liebe

Am 21. August 2024 feiern die Schwestern der Christlichen Liebe das 175-jährige Jubiläum der Gründung ihrer Kongregation. Mit drei Gefährtinnen begann Pauline von Mallinckrodt 1849 in der Fürsorge für blinde und behinderte Kinder sowie Waisenkinder. In den Jahren danach wuchs die Gemeinschaft genau wie ihre Aufgaben. Als pädagogischer Orden wirkten und wirken die Schwestern in Europa, Amerika und Asien in Kindergärten, Schulen, Krankenhäusern und Kinderheimen. Zudem widmen sie sich der Exerzitienarbeit.

Das anstehende Jubiläum dient nun als Anlass, die reiche Geschichte der Kongregation und ihre Arbeit im Geiste der christlichen Liebe zu würdigen. Weitere Informationen finden Sie auf der Homepage der Kongregation

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