Die Friedenstaube schmückt den Altarteppich der Fronleichnamsprozession in Attendorn an der Wasserpoorte.pdp / Ronald Pfaff„Die Prozession zu Fronleichnam ist ein wichtiger Impuls für den Glauben. Denn unser Glauben wird öffentlich. Es ist nicht nur Folklore oder ein Relikt aus vergangenen Zeiten, sondern inhaltlich heute hoch aktuell“, ermutigte Dechant Andreas Neuser die Gläubigen, mit dem in der Hostie gegenwärtigen Gott hinauszugehen auf die normalen Straßen des Alltags. „Gott geht mit uns bei der Prozession“, wiederholte Neuser in seiner Predigt des Fronleichnams Gottesdienstes in der Pfarrkirche St. Johannes Baptist seine Einladung.
Doch eigentlich muss er sich darüber keine Sorgen machen. Denn Fronleichnam ist in Attendorn ein besonderer Tag, der sich nahtlos an die traditionellen Bräuche zu Ostern anschließt. Die seit Jahrhunderten überlieferte Fronleichnamsprozession über die vier Wälle der alten Hansestadt hat an Zuspruch nichts verloren. Dank einer guten Zusammenarbeit zwischen den Osterfeuervereinen der vier Poorten und der Pfarrgemeinde St. Johannes Baptist ist Fronleichnam nicht nur ein sichtbares Zeugnis des Glaubens, sondern alljährlich auch ein optischer Höhepunkt mit den prachtvollen Blumenteppichen und den liebevoll geschmückten vier Altären.
Gefragt sind Sammler und Handwerker, Frühaufsteher und „Motivisten“, die aber die Gemeinschaft leben und das Gefühl schätzen, in Eigenregie ihre Ideen umsetzen zu können. Doch der Reihe nach. Denn Fronleichnam beginnt für die Frauen und Männer der Poorten – Ennester, Kölner, Niederste und Wasser – nicht erst am Donnerstag mit dem Start der Prozession um 10 Uhr, sondern mit einem ganz engagierten Vorlauf.
Blüten, Sträucher, Grünschnitt und Blumen-Gestecke werden benötigt, um die farbenprächtigen „Teppiche“ vor den Altären zu gestalten. „Die heiße Phase startet bei uns am Mittwochmorgen. Dann treffen sich einige Rentner unter Führung von Arno Lenninger um Birkenbüsche zu schneiden, die dann am Nachmittag von anderen Helfern abgeholt werden“, berichtet Joachim Eßlinger von der Waterpoorte. Zeitgleich machen vor allem Frauen und Kinder auf, um in der Umgebung die nötigen Blumen und Blüten zu sammeln. „Dabei helfen auch viele Freunde, die nicht dem Osterfeuerverein angehören.“
Am Mittwoch werden hier auch schon die Eisen für die Fahnen, die den Weg der Wälle schmücken, eingeschlagen. „In der Wasserstraße werden speziell hergestellte Betonfüße aufgestellt, weil die neue Bepflasterung dies erfordert“, so Andreas Eßlinger, dessen Mutter Marianne derweil in der Küche des eigenen Handwerksbetriebes mit Hilfe weiterer Frauen Brote und Kuchen für die fleißigen Helfer herstellt.
Ab Mitte Mai haben die „Legehühner“ und „Leguana“ – wie sich die Frauen und Männer der Niedersten Poorte scherzhaft gern selbst nennen – mit den Vorarbeiten begonnen. „Wir sind rund 30 Leute, jung und alt. Erfreulicherweise finden sich auch jedes Jahr wieder neue Helfer, so dass wir eine gute Gemeinschaft sind“, sieht Alexander Henze das Team gut aufgestellt.
Seit über 40 Jahren ist Monika Bilsing schon dabei. Durch ihren Mann kam sie zu den Altarbauern der Kölner Poorte. Auf je ein Dutzend Helferinnen und Helfer kann sie in diesem Jahr setzen, doch sieht sie ein Nachwuchsproblem kommen und hofft, die Zukunft mit Hilfe des Poorten-Vorstandes angehen zu können. Am Dienstag ging es in dieser Woche für Monika Bilsing und ihre Mitstreiterinnen schon los. Denn als Ersatz für Blumenblüten wurde Sägemehl mit Batikfarbe gemischt.
„Es funktioniert so gut, weil viele mithelfen und gemeinsam an der Sache arbeiten“, bestätigt Andreas Luke. Seit 15 Jahren ist er selbst bei der Ennester Poorte aktiv dabei, die vor der Grundschule „Sonnenschule“ und somit direkt neben dem Parkplatz „Feuerteich“ ihren Altar aufbauen kann. Auch hier beginnt das Sammeln am Mittwochnachmittag und „dann hoffen wir auf gutes Wetter, das ein wichtiger Faktor für den Altarschmuck ist.“
In einem zweiten Altarmotiv verwiesen die Altarbauer der Niedersten Poorte auf den Klimawandel.pdp / Ronald Pfaff Um 5 Uhr ist das Team von der Niedersten Poorte dann am Donnerstag bereits wieder auf den Beinen. „Aber um 7 Uhr stärken wir uns dann erstmal mit einem gemeinsamen Frühstück“, so Alexander Henze, der einräumt, dass man meist erst kurz vor dem Prozessionsbeginn mit dem Altarbau fertig sei: „Aber das macht nichts, wir sind immer die letzte Station und somit reicht die Zeit.“
Zur Inspektion machte sich am frühen Morgen auch Dechant Andreas Neuser auf, der keine Kontrolle mit seiner Fahrradrunde ausüben will, sondern mit Stolz für so viel Engagement seinen Dank an die vielen Helferinnen und Helfer aussprechen möchte.
Eine besondere Anerkennung haben die Poorten-Mitglieder Theresa Fecker verliehen. „Sie ist unsere Art-Direktorin, weil sie die künstlerische Gestaltung für unsere Motive übernimmt. Wir legen die Bilder dann nur aus.“
In diesem Jahr gab es zwei Objekte. Zur linken Seite des Altares wurde die Osterlüchte (Vortragekreuz) der Niedersten Poorte abgebildet, auf der rechten Seite ein warnendes Bild zum Klimawandel.
Der Altarteppich an der Ennester Porte erinnerte an die Initiative der Frauen mit Maria2.0. Unten rechts in der Ecke wie jedes Jahr ein kleines Anekdötchen aus Attendorn: diesmal das neue Kino.pdp / Ronald Pfaff „Wir wollen immer tagesaktuell sein und in einem kleinen Motiv, unten rechts am Blütenteppich, irgendetwas mit Augenzwinkern zeigen“, deutete Andreas Luke (Ennester Poorte) auf die kirchenpolitische Motivauswahl. Denn das Schlagwort „Maria 2.0“ und die Rolle der Frau in der Kirche wurde thematisiert. Für den Betrachter auf den ersten Blick nicht unbedingt zu erkennen, war zuletzt ein dringend notwendiger Austausch des Altargerüsts. Die Holzbalken hatten sich zu oft verdreht, so dass das neue Stahlgerüst zuverlässiger ist und sich – so Luke – nun wunderbar zusammenstecken lässt.
Dechant Andreas Neuer besuchte die Altarbauer – hier Kölner Poorte in Attendorn – am frühen Morgen bevor die Messfeier in der Pfarrkirche St. Johannes Baptist begann.pdp / Ronald Pfaff Stahl-Gerüste, Platten aus Holz, Teppiche, Fahnen, Altar – da kommt einiges an Material zusammen, das über ein Jahr untergebracht werden muss. Nachdem die Altarbauer der Kölner Poorte dafür nun ein neues Domizil gefunden haben, konnten Utensilien am Donnerstag das „Winterquartier“ verlassen und sich wieder zu einem schmucken Altar zusammenfügen. „Lass die Sonne in Dein Herz“, lautete das Motto und sichtbare Schriftzug im Blütenteppich. „Schön, wenn man dann am Donnerstag das fertige Bild endlich sehen kann“, so Monika Bilsing. Auch hier war das gemeinsame Frühstück dann eine Belohnung für alle, die mitgemacht haben.
Die Auswahl und Gestaltung des Blumenteppichs liegt bei der „Wasserpoorte“ vorwiegend in den Händen und Ideen der Damen, die sich in diesem Jahr für das Friedensmotiv „Taube“ entschieden haben. Seit ein paar Jahren ziert ein historisches Bild den Altar. „In einer unserer Nachbesprechungen – natürlich auch mit einem Reste-Essen – hatten wir beschlossen, einen Altar mit neuer Stufenanlage herzustellen. Darin sollte das Altarbild integriert werden“, erläutert Joachim Eßlinger, dessen Station stets die erste der Prozession über die Attendorner Wälle ist.
Die zahlreichen Prozessionsteilnehmerinnen und -teilnehmer geleiteten singend und betend das Allerheiligste in der Monstranz über die Wälle und freuten sich auf die wunderbar geschmückten Altäre. Dechant Andreas Neuser trug dort jeweils einen Abschnitt aus einem der Tagesevangelien von Johannes, Lukas, Markus und Matthäus vor.
„Wir müssen uns vor der Gefahr schützen, Gott auf Kirche und Gottesdienste zu beschränken. Gott ist nicht nur an Heiligen Orten, sondern im Alltäglichen zu suchen“, hatte Pfarrer Andreas Neuser in seiner Festtagspredigt gesagt. Die Attendorner gingen mit gutem Beispiel voran.
Zu den Mitwirkenden gehörten: Küster Mathias Goebel, Organist Martin Nyqvist, der Musikzug der Freiwilligen Feuerwehr, Kirchenchor St. Josef, Schützengesellschaft Attendorn, Mitglieder des Pfarrgemeinderates, die Ministranten, Pastor Martin Kloer, die Lektoren Franziska Reuber, Bruno Wiesner, Markus Maiworm und Kommunionkinder.
Geschichtliches:
Schon 1564 regelte die Schneiderzunft die Teilnahme an der Fronleichnamsprozession in Attendorn. Zusammen mit den anderen Zünften wurden die Zunftstäbe mit geschmückten Kerzen vor dem Allerheiligsten getragen. Auch Casper von Fürstenberg besuchte nachweislich in den Jahren 1596 bis 1609 die Prozession. Dabei erwähnt er am 1. Juni 1600. dass 4.000 Gläubige die Prozession begleitet hätten. (Quelle Stadtarchiv)