„Die Universität Paderborn hat vor wenigen Tagen erste Zwischenergebnisse der vom Erzbistum Paderborn beauftragten historischen Missbrauchsstudie veröffentlicht. Mir ist als Erzbischof von Paderborn bewusst, dass diese ersten Bilanzen der Forschungsarbeit viele Gläubige verunsichern und erschrecken können. Und dennoch ist diese Art der Forschungsarbeit und Öffentlichkeit ebenso wie die bedingungslose Nicht-Einflussnahme des Erzbistums Paderborn auf die Veröffentlichungen und Ergebnisse ein alternativloser Schritt im Sinne eines unabhängigen Aufarbeitungsprozesses.
Ich befürworte die unabhängige Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs und bin unbedingt an den Erkenntnissen dieser wissenschaftlichen Studie aus historischer Perspektive interessiert. Ich selbst habe das auf die Dauer von etwa vier Jahren angelegte Projekt in Auftrag gegeben und bin dankbar, wie professionell, frei und umsichtig die beiden Wissenschaftlerinnen Professorin Dr. Nicole Priesching und Dr. des. Christine Hartig vorgehen und arbeiten. Der für ihre Forschung unbedingt vorauszusetzende freie Zugang zu den verfügbaren Informationen und Akten wird von Mitarbeitenden im Erzbischöflichen Generalvikariat gewährleistet. Ich setze großes Vertrauen in die Arbeit der beiden Expertinnen, insbesondere auch als Historikerinnen. Denn die historische Perspektive, die Geschehnisse und Ereignisse in breite Gesamtzusammenhänge einordnet, erscheint mir sinnvoller als eine rein juristische Perspektive zu sein, auch ertragreicher für die weiteren Ziele der Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs.
Der Titel der seit nunmehr etwa einem Jahr laufenden Studie ist bekannt, der gesamte Zeitraum, den die Forscherinnen in den Blick nehmen, ebenfalls: „Missbrauch im Erzbistum Paderborn – Eine kirchenhistorische Einordnung. Die Amtszeiten von Lorenz Jaeger und Johannes Joachim Degenhardt (1941-2002)“. Die unabhängige Forschungsarbeit soll aus diesem Zeitraum Erkenntnisse zum Umfang des Missbrauchs, über die Gewalterfahrungen der Betroffenen und zu den Umgangsweisen der Verantwortlichen liefern. Bereits zu Beginn bei der Erstellung der Rahmenvereinbarung für das unabhängige Forschungsprojekt habe ich mir versichern lassen, dass alle verfügbaren Kenntnisse und alle handelnden Personen nach wissenschaftlichen Kriterien genau in den Blick genommen werden.
Ich stehe hinter der Arbeitsweise der unabhängigen Expertinnen an der Universität Paderborn und halte das Vorgehen, auch die Veröffentlichung von belegten Zwischenergebnissen und das weitere Nachdenken und Diskutieren darüber in geeigneter Weise für gut und richtig. Dabei immer bedacht werden muss gleichzeitig die Wirkung auf die Betroffenen von sexuellem Missbrauch. Sie dürfen nicht noch mehr belastet und verletzt werden. Dass ich mich immer bemühen werde, die Menschen, die von sexuellem Missbrauch betroffen sind, im Blick zu haben, habe ich auch in persönlichen Gesprächen versprochen.
Von ganz besonderer Bedeutung, auch für mich persönlich, wird dann sein, welche Erkenntnisse sich aus der unabhängigen Studie für den Zeitraum von 1941 bis 2002 schlussendlich ergeben werden. Geht es um Verantwortung, nehme ich mich selbst nicht aus. Zwischenergebnisse werde ich dennoch nicht kommentieren. Ich bleibe dabei, dass ich in keinerlei Weise Einfluss nehmen werde auf die unabhängige Forschungsarbeit. Was die Aufarbeitung im Anschlusszeitraum seit dem Jahr 2002 angeht, wird die unabhängige Aufarbeitungskommission für die weiteren Schritte zuständig sein. Ihre Einrichtung ist seitens des Erzbistums Paderborn vorbereitet und kann weitergeführt und abgeschlossen werden, sobald seitens der NRW-Landesregierung die in den Statuten vorgesehenen Personen zur Gründung und Arbeitsaufnahme der unabhängigen Aufarbeitungskommission für das Erzbistum Paderborn bestimmt sind.
Ich danke Frau Professorin Priesching und Frau Dr. Hartig ausdrücklich für ihre Arbeit. Mein Dank gilt im Besonderen auch jenen Betroffenen, die sich im Rahmen des Forschungsprojektes mit ihrer Stimme und ihren Erfahrungen eingebracht haben. Betroffene möchte ich weiterhin ausdrücklich ermutigen, sich an die Forscherinnen zu wenden und den unabhängigen Aufarbeitungsprozess zu unterstützen.“