„60 Prozent des Weizens in Deutschland werden an Nutztiere verfüttert, 20 Prozent kommen direkt der menschlichen Ernährung zugute. In Zeiten weltweit steigender Lebensmittelpreise aufgrund des Ukraine-Krieges ist das Ungleichgewicht bei der Verteilung von Getreide alarmierend. Nicht, weil es zu wenig Nahrung gäbe. Sondern weil sich viele Menschen in Ländern mit hoher Armutsquote wichtige Lebensmittel wegen gestiegener Preise nicht mehr in ausreichendem Maße leisten können. Deshalb setzt sich MISEREOR mit Nachdruck dafür ein, dem Hunger der Menschen Vorrang vor der Herstellung tierischer Produkte und der Produktion von Agroenergie zu geben und die Lebensmittelverschwendung zu verringern. Zugleich sehen wir die Gefahr eines Kurswechsels bei der ökologischen Transformation der Landwirtschaft. Angesichts der absehbaren Exportausfällen aus der Ukraine und Russland wäre es der falsche Weg, dieser Entwicklung mit Rückschritten in der Umweltpolitik zu begegnen. Ernährungskrisen dürfen nicht gegen Klima und Mitwelt ausgespielt werden. Die Herausforderungen bei der Bekämpfung des Hungers sind nur solidarisch und gemeinsam zu bewältigen – und mit einem Vorrang der unmittelbaren Versorgung von Menschen vor den Bedürfnissen der Vieh- und Energiewirtschaft.
Versorgungslage extrem schlecht
Der Ukraine-Krieg zieht bereits jetzt, zusätzlich zu der direkten humanitären und sicherheitspolitischen Krise durch die russische Aggression, schwerwiegende Konsequenzen in Ländern des Südens nach sich: Im Libanon zum Beispiel erlebte die Bevölkerung in den vergangenen zwei Wochen hohe Preissteigerungen für Mehl, Treibstoff und Speiseöl. Es kam zu Hamsterkäufen und kurzfristigen Schließungen von Tankstellen, auch um die zu erwartenden (weiteren) Preissteigerungen „mitzunehmen“ – so wurde das Mehl in den Supermärkten nicht mehr aufgefüllt. Der Libanon bezieht 60 Prozent seines Weizens aus der Ukraine.