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Erzbistum Paderborn
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© Besim Mazhiqi / Erzbistum Paderborn

Wie die Kräuterweihe in Kohlhagen Generationen verbindet

Es gibt so manche katholischen Bräuche, die so langsam verschwinden oder fast gänzlich in Vergessenheit geraten sind. Wer kennt zum Beispiel noch die Raunächte zwischen Weihnachten und Dreikönig? Andere Bräuche hingegen überdauern seit Jahrhunderten. Manche gewinnen sogar an Popularität. So ist das mit der Kräuterweihe an Mariä Himmelfahrt in der kleinen Kirchengemeinde Kohlhagen im südlichen Sauerland. Drei Frauen erzählen.

Waltraud Burghardt (72) kann sich noch gut an die Tage ihrer Kindheit vor Mariä Himmelfahrt erinnern. Als sie mit vielen anderen Kindern ihres Heimatortes durch Wälder und über Wiesen streifte. „Die Jungs sammelten die Zweige für Palmsonntag. Die Mädchen suchten die Kräuter für Mariä Himmelfahrt und banden sie mit ihren Müttern und Großmüttern zu Sträußen. Mit viel Weihwasser und Weihrauch wurden sie in der Messe gesegnet und von uns Kindern in der Nachbarschaft verteilt. Dafür bekamen wir dann einen Obolus.“

Heute ist das nicht mehr so. Obwohl das südliche Sauerland gemeinhin katholisch geprägt ist, zeigen sich auch hier typische Entwicklungen: Kirchliche Sozialisation, das Christsein als Lebensstil ist nicht mehr selbstverständlich. Und die Familie nicht mehr der erste Platz für die Weitergabe von Glauben und Bräuchen. So hat vor vielen Jahren die örtliche Frauengemeinschaft das Suchen und Binden der Kräuter – in Sauerländer Mundart heißen die Sträuße auch Wiätte  – übernommen. Und beobachtet ein zunehmendes Interesse.

Darum ist die Kräuterweihe ein guter Brauch

Seit 50 Jahren gehört Waltraud Burghardt der Frauengemeinschaft in der kleinen Kirchengemeinde an. Ist mit ihrer Heirat eingetreten: „Das war damals einfach so.“ Auch bei Irmel Neuhaus (62) war das so, vor nunmehr vier Jahrzehnten. Heute aber ist das anders. Bräuche wie das Kräuterbinden sind da ein guter Ansatz, um junge Menschen zu gewinnen. Menschen wie die 31-jährige Jennifer Ibsch, die erst seit kurzem dabei ist. „Sich mit Frauen jeden Alters zu treffen, tut gut. Ich fühle mich aufgehoben und dabei auch frei, weil viele unterschiedliche Menschen zusammenkommen.“

Darum feiern wir Mariä Himmelfahrt

 

Mariä Himmelfahrt wird in der römisch-katholischen Kirche alljährlich am 15. August gefeiert und ist das Fest der leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel. Das Neue Testament berichtet nur in Andeutungen davon. Der seit dem 5./6. Jahrhundert bezeugte Glaube an die leibliche Aufnahme Mariens in den Himmel, wurde 1950 durch Papst Pius XII. für die römisch-katholische Kirche zum Dogma erhoben und damit zum verbindlichen Glaubensinhalt.

 

„Das Kräuterbinden ist ein schöner und ein guter Brauch. Er macht Spaß, vermittelt Wissen und verbindet. Und er weckt Aufmerksamkeit. Das Interesse an der Natur und deren Heilkräften ist wieder groß“, freut sich Waltraud Burghardt, nachkommende Generationen begeistern zu können. Mit Angeboten, die jeder annehmen kann und die tragen. Zu den Festen und Feiertagen im Kirchenjahr. Oder zum Weltgebetstag. Den Franziskusweg sind sie schon gemeinsam gegangen. Und den Jakobsweg von Brilon bis Trier.

„Es geht um Gemeinschaft. Daraus lebt Glaube. Und natürlich haben auch Zweifel und Fragen ihren Platz bei uns. Bei uns ist jeder willkommen. Ohne jemandem etwas aufstülpen zu wollen. Wir können Vielfalt“, sagt Irmel Neuhaus, die in ihrem Leben manches Mal gehadert hat. Ganz besonders mit der Institution Kirche. „Mit 18 wollte ich aus der Kirche austreten. Mein Papa sagte zu mir: Dann musst du das machen“, erinnert sie sich in dem Zusammenhang an ein Erlebnis, das sie in Südspanien hatte. „Ich war so alleine. Da habe ich mich in eine Kirche gesetzt und erst einmal eine Strophe geheult.“

Ganz wie früher auch werden heute noch die Kräuter in Wald und Flur gesammelt. Die Natur im Sauerland ist ein reich gedeckter Tisch: Minze, Salbei, Majoran, Schafgarbe, Lavendel, Melisse, Frauenmantel, Ringelblume, Spitzwegerich, Baldrian, Mädesüß, Zinnkraut, Beinwell… Alles Pflanzen, an deren Heilkräfte man seit Jahrhunderten glaubt. Dazu kommen Getreide und auch Blumen. „Wichtig ist die Königskerze. Und früher, bei uns zuhause, taten wir einen Apfel rein“, erzählt Waltraud Burghardt. Auch die Anzahl der Kräuter spielt eine Rolle. Die sieben steht beispielsweise für die Schöpfungstage. Die zwölf für die Apostel. Eine durch drei teilbare Zahl für die Dreifaltigkeit.

Die Marienkirche auf dem Berg

Geweiht werden die Kräuterbünde im Rahmen einer Bergmesse auf dem Kohlhagen. Ein Weiler an landschaftlich exponierter Stelle auf 500 Metern Höhe, der der Kirchengemeinde seinen Namen gab und durch seine Pfarr- und Wallfahrtskirche Mariä Heimsuchung bekannt ist. Seit jeher ist der Kohlhagen ein Ort von großer Anziehungskraft, der Stille, des Gebets und der Begegnung. Für die Pilger und Touristen, für die Besucher und Gäste des Geistlichen Zentrums, das das Erzbistum im vergangenen Jahr hier errichtet hat. Und für die Einwohner, die in den kleinen Dörfern Wirme, Brachhausen und Emlinghausen am Fuß des Berges – schon in frühen Zeiten hieß er Marienberg – leben.

„Der Kohlhagen tut mir gut. Er ist geistige Heimat“, sagt Neuhaus. „Auch unsere Kinder haben diese enge Beziehung. Früher wuchsen auf den Wiesen Unmengen von Wiesenschaumkraut. Unsere Kinder brachten dann dicke Sträuße auf den Friedhof und schmückten damit die verlassenen Gräber. Und wenn mein Mann vorher gegüllt hatte, dann stank es auch gehörig auf dem Kohlhagen. Dieser Ort lebt.“ Ähnlich fühlt Jennifer Ibsch: „Für mich ist die Kirche auf diesem Berg ein wichtiger Bezugspunkt. Ein Ort mit vielen guten Erinnerungen, ein Ort der Zuversicht ausstrahlt und mich abholt.“

Der Brauch der Kräuterweihe

Der Brauch der Kräutersegnung selbst geht auf eine alte Legende zurück, nach der die Jünger das Grab der Jungfrau Mariä geöffnet haben und dort statt ihres Leichnams Blüten und Kräuter vorgefunden haben. Erstmals fand der Brauch in der katholischen Kirche im 9. Jahrhundert Erwähnung. An Mariä Himmelfahrt beginnt die wichtigste Kräutersammelzeit des Jahres. Mit Mariä Himmelfahrt beginnen auch die sogenannten Frauendreißiger, die am 15. September enden. Als Übergangszeit vom Sommer in den Herbst waren sie früher eine Zeit der Besinnung. Einer Legende nach segnet in dieser Zeit die Gottesmutter die Erde. In die Frauendreißiger fallen Mariä Himmelfahrt, Maria Königin (22. August), Mariä Geburt (8. September), Maria Namen (12. September) und Gedächtnis der Schmerzen Mariens (15. September).

Wenn das Herz weit wird

Der Berggottesdienst zu Mariä Himmelfahrt auf dem Kohlhagen ist eine Idee der beiden Pallottinerpatres, die das Geistliche Zentrum leiten. Auf der großen Wiese unweit der Kirche geht der Blick weit über Berge und Täler und lässt die Schönheit der Schöpfung bewusst werden. „Bei dem weiten Blick wird auch das Herz weit“, sagt Pater Jürgen Heite. Was könnte also schöner sein, als auf einem Berg – dem Ort, wo sich in der religiösen Bildersprache Himmel und Erde begegnen – das höchste und älteste Fest Mariens, die in ihrer Reinheit und Naturverbundenheit besonders verehrt wird, zu feiern. „Mariä wird leiblich in den Himmel aufgenommen. Leib und Seele bilden eine Einheit, sind keine getrennten Welten. Die Kräutersegnung ist eine schöne Erinnerung daran, sorgsam mit sich selbst und der Schöpfung umzugehen.“

Heilung, Glück und Segen – damit verbinden die Menschen von alters Herr den Brauch der Kräuterweihe. Ein Glaube, der Gemeinschaft schafft. Eine göttliche Stärkung hoch oben auf dem Marienberg, an deren Ende die Aufnahme in den Himmel steht. „Glaube versetzt Berge“, sagt Irmel Neuhaus. Das erinnert an die Stelle im Matthäusevangelium (Mt 17,20-21): Wenn ihr Glauben habt wie ein Senfkorn, so werdet ihr zu diesem Berg sagen: Werde versetzt von hier nach dort! und er wird wegrücken. Nichts wird euch unmöglich sein.

Die Bedeutung der Kräuter

In der Regel haben die Kräuter, die zu Sträußen gebunden werden, eine heilende Wirkung. Rosmarin steht beispielsweise für Mut, Salbei soll zu Weisheit und Erfolg verhelfen, Baldrian zu gutem Schlaf. Wermut verspricht Kraft, Minze Gesundheit, Kamille Ruhe, Glück und Liebe und Getreide steht für das tägliche Brot. Der Apfel verbindet Erde und Himmel.

Manche Blumen stehen auch für Eigenschaften von Maria. So wie das Gänseblümchen, das Bescheidenheit ausdrückt oder das Veilchen, das für Demut steht. Die Akelei symbolisiert die sieben Schmerzen Mariens. Die Rose ist die Königin der Liebe, die Lilie die Blume der Reinheit. Rose und Lilie stehen zudem für Maria und Josef. Die Königskerze mit ihrem majestätischen, hohen Wuchs, auch Himmelbrand oder Marienkerze genannt, wird der Gottesmutter als Zepter zugedacht. Deswegen findet sie sich in der Mitte der Kräutersträuße zu Mariä Himmelfahrt.

Berggottesdienst mit Kräutersegnung am 21. August 2022

Weil das Fest Mariä Himmelfahrt in diesem Jahr auf einen Montag fällt, feiert man den Berggottesdienst mit Kräutersegnung in Kohlhagen am Sonntag danach, also am 21. August 2022 um 10.00 Uhr. Alle Informationen dazu finden Sie hier:

 

Pfarr- und Wallfahrtskirche Mariä Heimsuchung

Die Pfarr- und Wallfahrtskirche Mariä Heimsuchung auf dem Kohlhagen liegt am Rande der Großgemeinde Kirchhundem im Kreis Olpe. Die Geschichte der Kirche beginnt im späten Mittelalter mit einer kleinen Bergkapelle, in die zu Beginn des 15. Jahrhunderts das Gnadenbild (Pietà von ca. 1420) gelangte. Darin liegt kein Widerspruch für eine ältere Kirchendatierung, sondern eine logische Konsequenz: Weil dieser exponierte Ort von besonderer Bedeutung war, wie es nicht zuletzt die Stiftungsurkunde der Kapelle aus dem Jahr 1490 ausdrücklich begründet – „da (auf dem Berge) doch viele (Menschen) ihre Andacht verrichteten, auch von ihren Leibsgebrechen geholfen würden“ -, wurde die Stätte mehr und mehr besucht und durch das Andachtsbild zum beliebten Wallfahrtsort. Die heutige Kirche wurde an der Stelle des Vorgängerbaus, und zwar im damals vielverwendeten nachgotischen Stil in der Zeit von 1703 bis 1707 von Pfarrer Paulus Leyemann (1693-1745) errichtet: ein auf quadratischem Grundriss abgesetzter Turm mit Spitzhelm im Westen, dem Langhaus und der eingeschnürten Chorapsis. Das Patronatsrecht lag anfangs (zumindest seit der Errichtung einer Ewigen Vikarie im Jahr 1490) bei den Herren von Bruch, später dann beim Hause Fürstenberg.

(Quelle: Geistliches Zentrum Kohlhagen)

© Besim Mazhiqi / Erzbistum Paderborn
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Ein Beitrag von:
Freie Journalistin

Birgit Engel

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