Auf der Fachkonferenz (7./8. Oktober 2024) der Unabhängigen Aufarbeitungskommissionen werden heute (8. Oktober 2024) die Ergebnisse der Zwischenevaluation der Gemeinsamen Erklärung zur unabhängigen Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche vorgestellt. Es nehmen neben den Unabhängigen Aufarbeitungskommissionen und Vertreterinnen und Vertretern aus Betroffenenbeiräten in den (Erz-)Diözesen auch die Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM), Kerstin Claus, und die Vorsitzenden der bischöflichen Fachgruppe für Fragen des sexuellen Missbrauchs und von Gewalterfahrungen, Bischof Dr. Helmut Dieser und Erzbischof Stefan Burger, sowie Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Fachpraxis teil.
Anlass der Fachtagung ist die am 22. Juni 2020 von dem damaligen Unabhängigen Beauftragten Johannes-Wilhelm Rörig und Bischof Dr. Stephan Ackermann, damaliger Beauftragter der Deutschen Bischofskonferenz für Fragen des sexuellen Missbrauchs im kirchlichen Bereich, unterzeichnete Gemeinsame Erklärung über verbindliche Kriterien und Standards für eine unabhängige Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche in Deutschland. Die Erklärung betont hierfür insbesondere die Bedeutung von Unabhängigkeit, Transparenz und Betroffenenbeteiligung als Basis für Aufarbeitung. Sie sieht die Einrichtung unabhängiger diözesaner Aufarbeitungskommissionen vor sowie die Schaffung einer strukturierten Betroffenenbeteiligung über diözesane Betroffenenbeiräte. Ziel der Gemeinsamen Erklärung war, überregional eine umfassende, vergleichbare und abgestimmte Aufarbeitung sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche in den deutschen (Erz-)Diözesen für Betroffene sicherzustellen. Zugleich wurde über die Erklärung abgesichert, dass bereits vorhandene Aufarbeitungsbemühungen und -studien fortgesetzt und bereits gewonnene Erkenntnisse in den Aufarbeitungsprozess eingebracht werden. Die vereinbarten Kriterien und Standards unabhängiger Aufarbeitung waren ohne Vorbild in Deutschland.
Seit der Unterzeichnung wurden in allen (Erz-)Bistümern Unabhängige Aufarbeitungskommissionen konstituiert. Mitglieder in den Kommissionen sind auch Betroffene aus den (Erz-)Diözesen der diözesanen Betroffenenbeiräte. Bischof Dieser betont: „Die Bischöfe haben mit Verabschiedung der Gemeinsamen Erklärung die Entscheidung für eine unabhängige Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch im katholischen Bereich getroffen. Die Zwischenevaluation nimmt die bisherige Arbeit der Unabhängigen Aufarbeitungskommissionen und die Ergebnisse der Aufarbeitung aus den Jahresberichten der Kommissionen in den Blick. Die unabhängige Aufarbeitung ist unentbehrlich, damit Betroffene des sexuellen Missbrauchs Mut finden, aus dem Dunkelfeld herauszutreten, und Zugang zu Informationen erlangen über Hintergründe und Verantwortlichkeiten des erlittenen Leids. Diese Erkenntnisse stärken und vertiefen zudem die heutigen Anstrengungen in Prävention und Intervention in den (Erz-)Diözesen und damit den effektiven Schutz gegen Missbrauch. Die Fachkonferenz bietet das Forum, gemeinsam mit den Aufarbeitungskommissionen und Betroffenen sowie Experten diese Ergebnisse zu diskutieren.“
Erzbischof Burger erklärt: „Wir sind den Unabhängigen Aufarbeitungskommissionen und allen mitwirkenden Betroffenen sehr dankbar für ihre Arbeit. Die Zwischenevaluation soll nach drei Jahren die bisherigen Erfahrungen in der Umsetzung der Gemeinsamen Erklärung aufzeigen und die etablierten Strukturen in den Blick nehmen. Hierbei geht es auch um die zentrale Frage, ob die Betroffenenbeteiligung bei der Aufarbeitung, wie in der Gemeinsamen Erklärung vorgesehen, tatsächlich gelingt.“
Die Unabhängige Beauftragte Claus betont: „Es ist ein Erfolg, dass mittlerweile in allen Bistümern Unabhängige Kommissionen auf Basis der Gemeinsamen Erklärung ihre Arbeit aufgenommen haben. Die heutige Vorstellung der Zwischenevaluation ist ein weiterer wichtiger Schritt, die Aufarbeitung in der katholischen Kirche voranzubringen und zu vergleichbaren Standards und Kriterien der Aufarbeitung zu kommen. Ausgehend von der Zwischenevaluation und den vorliegenden Berichten der Kommissionen wird es nun möglich, die Arbeit der Unabhängigen Aufarbeitungskommissionen auf Grundlage der Gemeinsamen Erklärung weiterzuentwickeln. Mir ist dieser konstruktive Austausch mit allen beteiligten Strukturen wichtig. Für Betroffene ist es unerlässlich, dass sie, unabhängig davon, an welche diözesane Aufarbeitungskommission sie sich wenden, auf qualitativ gleiche und verlässliche Standards der Aufarbeitung treffen. Nur so kann Aufarbeitung unabhängig, transparent und betroffenenzentriert gestaltet werden.“
Zur zweitägigen Fachkonferenz hat der Bundesvorstand der Unabhängigen Aufarbeitungskommissionen eingeladen. Neben der Vorstellung der Ergebnisse der Zwischenevaluation soll auch ein Blick auf die künftige Arbeit der Unabhängigen Kommissionen geworfen werden. Die Veranstaltung ist nicht öffentlich.
Hintergrund
Die Kommissionen sind in der Gestaltung ihrer Arbeit frei und sollen einen weiteren Beitrag dazu leisten, sexuellen Missbrauch in den Diözesen quantitativ zu erheben, den Umgang mit Betroffenen und Tätern sowie Täterinnen zu untersuchen und Strukturen zu identifizieren, die sexuellen Missbrauch ermöglichen oder erleichtern sowie dessen Aufdeckung erschweren. Die Kommissionen sind zur Abgabe und Veröffentlichung eines jährlichen Berichts zum Stand der Aufarbeitung in dem jeweiligen Bistum verpflichtet sowie zu einer Zwischenevaluation nach drei Jahren und einem vorläufigen Abschlussbericht nach fünf Jahren.
Die Gemeinsame Erklärung finden Sie hier: https://beauftragte-missbrauch.de/presse/artikel/275.