Rasend schnell und funkenstiebend
Jedes Jahr am Ostersonntag gibt es in Lügde ein großes Spektakel. Gegen 20.00 Uhr wird ein riesiges Osterfeuer angezündet. Nach Einbruch der Dunkelheit, etwa um 21.00 Uhr, ertönt ein Böllerschuss und danach rumpeln sechs große brennende Holräder rasend schnell und funkenstiebend den Osterberg hinunter, eins nach dem anderen, jedes so hoch wie ein Erwachsener. Na ja, eigentlich brennen ja nicht die Räder. Die sollen auch nicht verbrennen, weil sie viel zu kostbar sind. Deshalb werden die Eichenholzräder eine Woche vorher mit einem Trecker zur Emmer gefahren und im Fluss gewässert. Was am Ostersonntag brennt, das sind die großen Bündel aus langem Roggenstroh, die in den Rädern stecken.
Rad hält 30 Jahre lang
Zusammengehalten wird das Stroh mit gedrehten Haselnussruten. „Wenn man das richtig macht, wird die Haselnussrute so geschmeidig wie ein Bindfaden“, erzählt Dieter Stumpe. Warum man nicht gleich einen Bindfaden nimmt? Dieter Stumpe verrät das Geheimnis: „Eine Schnur verbrennt viel zu schnell.“ Eine gedrehte Haselnussrute hält aber dem Feuer genau so lange stand, bis das Rad den Hang hinuntergerollt ist. Unten am Fangzaun angekommen, fällt das brennende Stroh aus dem Rad heraus. Das Holz wird also bei jedem Lauf immer nur ein bisschen angekokelt. Deshalb hält ein gutes Rad 30 Jahre.
Um den Osterräderlauf in Lügde kümmern sich viele Freiwillige
Das Zusammendrehen der Haselnussruten, das Wässern und Ausstopfen der Räder mit Stroh, das Absperren des Hangs und hin und wieder das Bauen eines neuen Rads – das alles macht viel Arbeit. Diese Arbeit teilen sich in Lügde viele Freiwillige, die sich im Dechenverein zusammengeschlossen haben. Dechen, das bedeutet Brauchtumswächter. Um ein Deche zu werden und mitzumachen, musst du mindestens 16 Jahre alt sein. Aber beim Osterräderlauf zuschauen dürfen natürlich auch schon Kinder. Die ganz kleinen erschrecken sich manchmal. Auch Dieter Stumpe hat bei seinem Ersten Osterräderlauf als Vierjähriger beim ersten Rad geheult, später schon beim dritten oder vierten Rad gejubelt. Das hat damals sein Papa in sein Tagebuch geschrieben.
Osterräderlauf in Lügde bringt Licht
Der Osterräderlauf in Lügde ist aber noch sehr viel älter als Dieter Stumpe. Wie alt der Brauch genau ist, kann niemand genau sagen. Die Menschen haben immer schon den Beginn des Frühlings gefeiert und dabei Freudenfeuer angezündet. Vielleicht gab es den Osterräderlauf schon in der Zeit, als die Menschen hier zu heidnischen Göttern beteten. Erst kurz vor dem Jahr 800 kam das Christentum in unsere Gegend. Es gibt die Geschichte, dass Karl der Große zu dieser Zeit nach Lügde kam und den Menschen erlaubte, auch als Christen an ihrer heidnischen Tradition festzuhalten und brennende Räder ins Tal rollen zu lassen. Denn auch im Christentum ist Ostern ein Fest des Lichtes und der Freude über den wiedererstandenen Christus.