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Erzbistum Paderborn
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Kraftquellen auf vier Beinen

Ob Haustier oder in der Therapie: Die große Bedeutung von Tieren für unser Leben

Ob Haustier oder in der Therapie: Das kraftvolle Wirken von Tieren für unser Leben

Es gibt Szenen, die wird Sylvie Blätgen wohl ein Leben lang nicht vergessen. Wie der Besuch in einem Altenheim, wo sie mit ihrer Hündin Motte einer demenzkranken Frau begegnete. Als diese den Mini-Goldendoodle von Sylvie Blätgen erblickte, freute sie sich ungemein und winkte dem flauschigen Vierbeiner zu – einige Augenblicke später saß Motte auf ihrem Schoß. Die Frau fing an, die Hündin zu untersuchen, strich durch ihr Fell und sagte dann: „Irgendwo muss der Knopf doch sein.“ Als Sylvie Blätgen erklärte, es handle sich um einen echten Hund, löste sich die Verwirrung auf: Die ältere Frau erzählte, sie hätte in ihrer Kindheit einen braunen Stoffbären besessen, der offenbar genau wie Motte ausgesehen hatte. Den Mitarbeitenden des Altenheims brachte das Tränen in die Augen – aus Freude: Denn nach etlichen Jahren war es die erste biografische Erinnerung der demenzkranken Frau. Ein kleines Wunder.

Wie groß die positive Wirkung von Tieren auf Menschen sein kann, weiß Sylvie Blätgen nur zu gut. Sie arbeitet als Fachkrankenschwester im Christlichen Hospiz Hamm und ist dort auch als Trauerbegleiterin im Einsatz, meist mit Motte an ihrer Seite. Die ausgebildete Therapiehündin begleitet mit ihrem Frauchen zusammen schwerkranke, sterbende Menschen und ihren Angehörigen im ambulanten Bereich. „Manchmal liegt Motte mit den Menschen einfach eine Stunde zusammen im Bett und kuschelt“, sagt Sylvie Blätgen. „Dieser Körperkontakt ist gerade für die Leute wichtig, die selbst einen Hund hatten oder haben wollten.“

Tiere tun es Gott gleich: Sie schenken Liebe

Diese – besonders von Haustieren ausgehende – Zärtlichkeit ist einer der Hauptgründe, warum Tiere für Menschen eine so große Kraftquelle sein können, sagt der Theologe Prof. Dr. Thomas Ruster von der TU Dortmund. „Wann ist man heute schon so zärtlich, dass man jemanden einfach mal in den Arm nehmen kann? Tiere tun im Endeffekt das, was der liebe Gott normalerweise tut: Sie schenken Liebe.“

Menschen seien Beziehungswesen und wollen körperliche Nähe spüren: „Diese Nähe, nach der wir uns sehnen, geben uns Tiere oft viel mehr als Menschen.“ Tiere seien nicht besser als Menschen, aber wenn man einmal ein Vertrauensverhältnis zu ihnen gewonnen hat, sind sie meist sehr viel treuer und bleiben uns durch dick und dünn verbunden, sagt der Theologe. „So eine Freundschaft muss man im Leben erstmal finden. Zumal die Tiere uns nicht moralisch bewerten“, erklärt Prof. Dr. Ruster weiter. „Tiere sind immer liebevoll und erinnern auch da an das, was wir immer von Gott sagen: Er nimmt uns vorbehaltlos an, so, wie wir sind. Das tun Menschen in der Regel nicht. In dieser Haltung sind Tiere Gott sehr ähnlich.“

Die körperliche Nähe des Tieres, die unaufhörliche Aufmerksamkeit für den Menschen: Das sei ein großes Geschenk, sagt auch Sylvie Blätgen. Menschen können von ihren Sorgen und Problemen besser reden, wenn sie einem Hund durchs Fell streicheln und anfassen: „Die Tiere strahlen so eine Ruhe aus. Ein Hund ist da, sagt aber nichts, sondern hört einfach zu und fängt mit seinem Fell die Tränen auf. Diese Zuwendung und das unverwandte Dasein sind in all dem Dunkel der Menschen echte Highlights.“

Positive Kraft in vielfältigen Formen

Prof. Dr. Ruster erklärt diese unbändige Liebe der Tiere anhand eines Beispiels: Ein Schüler, der in der Schule unter Mobbing leidet, kommt nach Hause und sein Hund springt an ihm hoch. Das bereitet so viel Freude, dass die Sorgen erstmal vergessen sind. „Da steht jemand bedingungslos zu dir, wo alle anderen dich vielleicht verlassen haben“, erklärt der Theologe der TU Dortmund. Aber eben auch der besondere Einsatz zeige die positive Kraft der Tiere – egal ob als Beistand für einsame Menschen, als Blindenführhunde oder in der Therapie mit Kindern: „Das sind aktive Formen der Nächstenliebe.“

Die Jugendhilfe Olsberg hat in ihrer Arbeit mit Kindern und Jugendlichen ebenfalls tierische Hilfe: Bei der Reittherapie stehen die Pferde den jungen Menschen quasi als Co-Therapeuten zur Seite. Ob Putzen und Reiten oder das Versorgen und Beobachten der Pferde: Meist in Einzelstunden werden die Kinder und Jugendlichen gezielt gefördert.

„Pferde leben von Natur aus im Herdenverband und verfügen somit über hervorragende soziale Fähigkeiten. Daher eignet sich die Arbeit mit ihnen besonders für Menschen mit Verhaltensauffälligkeiten“, erklären Hannah Pröpsting und Anja Basedow von der Jugendhilfe Olsberg. „Die deutliche, aber sensible Körpersprache der großen Tiere ermöglicht eine unmittelbare nonverbale Rückmeldung auf das Verhalten der Kinder und Jugendlichen.“

Bei Kindern sind die Tiere oft ein Türöffner

Die Tiertherapie kommt gut an. „Pferde sind tolle Hilfsmittel, weil sie auf einen aufpassen und mitbekommen, wenn man Angst hat. Ich fühle mich wohl bei den Pferden“, sagt eine Elfjährige. Ein neunjähriger Junge beschreibt es so: „Pferde haben ein kuscheliges Fell und sind gute Freunde. Sie hören mir gut zu und ich fühle mich bei ihnen sicher.“ Die wertfreie Begegnung, das Vertrauen und die Sicherheit, die einem die Pferde geben, selbst wenn man auf ihnen sitzt, gefallen den Kindern besonders.

Sylvie Blätgen merkt immer wieder, dass auch ihre Hündin gerade bei Kindern eine Art Türöffner ist. Deshalb ist Motte bei der Trauerbegleitung von Kindern mit dabei: „Sie spürt, welchem Kind es gerade nicht gut geht. Wann jemand Ruhe braucht und wann sie jemanden mit Tricks mal zum Lachen bringen muss. Motte schließt alle in ihr Herz ein und merkt sich, wer gut zu ihr ist.“ Nebenbei stärkt das auch noch das Selbstbewusstsein der Kinder: Denn Motte hört auf die Kinder, wenn sie ihr Kommandos für Tricks geben oder mit ihr an der Leine spazieren gehen. So kann sogar ein Junge, der Schlaganfälle erlitten hat, mit Motte an seiner Seite bei einem Gang an der frischen Luft Sicherheit gewinnen. Denn Motte spüre genau, wenn sie mit jemandem vorsichtiger umgehen müsse.

Welche Erfahrung Sylvie Blätgen ebenfalls immer wieder macht: Trauernde Kindern haben nach dem Verlust eines Elternteils oft Schuldgefühle, wenn sie selbst lachen oder glückliche Momente erleben. In dem Zusammenhang sei Motte dann oft die Erlaubnis, auch mal Lachen zu dürfen, sagt Sylvie Blätgen: „Motte gibt den Kindern das Gefühl, dass sie in Ordnung sind, so, wie sie sind. Natürlich haben wir während der Gruppenstunden mit den Kindern auch viele traurige Momente. Aber wenn Motte kommt und gestreichelt wird, erleben die Kinder, dass es auch in Trauerphasen glückliche Momente geben darf.“

Headerbild: Jet Cat Studio / Shutterstock.com
Teaserbild: Vitalii Matokha / Shutterstock.com

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